Pharmaforschungspioniere siegen bei Clusters4Future

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Pionierarbeit bei der Entwicklung einer neuen Wirkstoffklasse leistet das Fraunhofer ITMP zusammen mit sieben regionalen Partnern unter Federführung der Goethe-Universität Frankfurt am Main im Projekt PROXIDRUGS, das das Bundesforschungsministerium (BMBF) jetzt als Zukunftscluster ausgezeichnet hat, den es mit bis zu 15 Millionen Euro fördern wird.

Die meisten heute verfügbaren Medikamente sind kleine Moleküle, die ihre Wirksamkeit dadurch entfalten, dass sie an bestimmte Proteine binden, die mit einer Krankheit in Zusammenhang stehen. Allerdings verfügen nur etwa 20 Prozent aller krankheitsrelevanten Proteine über definierte Bindungsstellen für solche Moleküle – der Rest ist für diese bisher unerreichbar. Das soll sich durch die Entwicklung von Wirkstoffen ändern, die zwei funktionelle Bindungsarme aufweisen, mit denen sie zwei intrazelluläre Player packen, um sie in engste räumliche Nähe (Proximität) zueinander zu bringen: Auf der einen Seite das krankheitsrelevante Protein, auf der anderen Seite ein Enzym, das dieses Protein für den gezielten Abbau durch die zelluläre »Müllabfuhr« markiert. Ein Vorteil dieses Wirkprinzips ist seine hohe Spezifität. Der Wirkstoff geht wiederverwendbar aus seiner Reaktion hervor, so dass er sehr niedrig dosiert werden kann und nur geringe Nebenwirkungen zu erwarten sind.

Das Fraunhofer ITMP ist im Zukunftscluster PROXIDRUGS zur Entwicklung solcher Proximitäts-induzierender Wirkstoffe (Proxidrugs) an sieben von elf geplanten Teilprojekten beteiligt die auf die Entdeckung von auf zielgerichtetem Proteinabbau basierenden Wirkstoffen abzielen. So wird es gemeinsam mit mehreren Industriepartnern innovative Hochdurchsatz-Testsysteme zur Identifizierung von neue Arten von Proximitäts-induzierenden Molekülen erarbeiten, die den Abbau von Zielproteinen beispielsweise durch Autophagie ermöglichen. Darüber hinaus forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer ITMP daran, wie solche Medikamente dorthin gebracht werden können, wo sie im Körper gebraucht werden. Dazu gehört auch die Verwendung stammzellbasierter Modelle, etwa der Blut-Hirn-Schranke, um besser zu verstehen, wie diese Art von Medikamenten in das Gehirn eindringen – ein wesentlicher Schritt zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen. Das Fraunhofer ITMP arbeitet auch beim Innovations- und Datenmanagement mit, um die Ergebnisse des Konsortiums nachhaltig nutzbar zu machen.

Weltweit befinden sich erst wenige Vertreter der auf zielgerichtetem Proteinabbau basierenden Wirkstoffen – die sogenannten PROTACs (Proteolysis Targeting Chimeric Molecules) – in der klinischen Entwicklung gegen Prostata- und Brustkrebs. »PROXIDRUGS soll den Anwendungsbereich dieser vielversprechenden Wirkstoffklasse jetzt auf weitere Indikationen, wie beispielsweise neurodegenerative Erkrankungen, Infektionskrankheiten und Immunerkrankungen ausdehnen«, erläutert PD Dr. Aimo Kannt, Abteilungsleiter der Wirkstoffforschung am Fraunhofer ITMP. »Die multidisziplinäre Expertise in unserem Netzwerk aus Institutionen der Grundlagen- und anwendungsorientierten Forschung, Pharma- und Technologieunternehmen wird die Translation unserer Erkenntnisse in die klinische Anwendung erheblich beschleunigen.« Prof. Dr. Ivan Đikić, Sprecher des Proxidrugs Konsortiums, ergänzt: »Unser Körper besitzt ein ausgeklügeltes System, um defekte, überflüssige oder schädliche Proteine zu entsorgen. Dieses System werden wir nutzen, um krankheitsrelevante Proteine gezielt abzubauen.«

PROXIDRUGS ist einer von nur zwei biomedizinisch ausgerichteten Zukunftsclustern, die das BMBF in der ersten Runde seines »Clusters4Future«-Wettbewerbs für eine Förderung von zunächst drei Jahren ausgewählt hat. »Diese Entscheidung spricht für die außergewöhnliche Innovationskraft der Rhein-Main-Region in der Pharmaforschung und knüpft an starke Traditionen an«, sagt Prof. Dr. Dr. Gerd Geißlinger, stellvertretender Sprecher von PROXIDRUGS und Institutsleiter des Fraunhofer ITMP, das mithilfe der Hessischen LandesOffensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) seit 2021 ein eigenständiges Fraunhofer-Institut wurde. »Proxidrugs sind eine der vielversprechendsten neuen Arzneimittelklassen in der Pharmakologie. Wir sind stolz darauf, in diesem erstklassigen Umfeld den medizinischen Fortschritt mit zu beflügeln.«

Als Teil der Hightech-Strategie 2025 war der »Clusters4Future«-Wettbewerb im Sommer 2019 mit dem Ziel gestartet, in regionalen Spitzenstandorten den Wissens- und Technologietransfer zu fördern. Aus 137 Wettbewerbsskizzen wurden zunächst 16
Finalisten für eine im Mai 2020 begonnene Konzepthase bestimmt, aus denen nun insgesamt sieben Zukunftscluster als Sieger hervorgegangen sind.

 

Partner:

  • Goethe-Universität (federführend)
  • TU Darmstadt
  • Universität Heidelberg
  • Fraunhofer Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie (ITMP)
  • Max-Planck-Institut für Biophysik
  • pharmazeutische und biotechnologische Unternehmen im Rhein-Main-Gebiet