Die zelluläre Müllabfuhr überlisten

Translationale Medizin /

Das Projekt PROXIDRUGS unter Beteiligung des Fraunhofer IME wurde in die Konzeptionsphase des Programms »Clusters4Future« aufgenommen – Suche nach neuartigen therapeutischen Wirkstoffen.

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Schema der Wirkweise von PROTACs. Ein PROTAC ist bifunktional und besteht aus einem Liganden für das Enzym E3-Ligase (grün) und einer Bindedomäne für das Zielprotein (rot), verbunden über eine kurze Linkerregion (schwarz). PROTAC ermöglicht die Ubiquitinierung des Zielproteins durch die E3-Ligase, sodass das Zielmolekül vom Proteasom abgebaut werden kann.

FRANKFURT am Main. Gezielt eingreifende Wirkstoffe und damit neue Therapieoptionen entwickelt das regionale Netzwerk PROXIDRUGS unter Beteiligung des Institutsteils Translationale Medizin und Pharmakologie TMP des Fraunhofer IME, der technischen Universität Darmstadt und der Goethe-Universität (Federführung). Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) wählte das Projekt jetzt im Ideenwettbewerb »Clusters4Future« für eine Förderung in der Konzeptionsphase aus – als einen von 16 aus 137 eingereichten Vorschlägen.

»Diese Methode erlaubt es uns, innovative, und vielversprechende Targets anzugehen, die bisher als »undruggable« galten, weil Sie keine Bindungstasche für ein kleines Arzneistoffmolekül hatten«, erklärt Prof. Dr. Dr. Gerd Geisslinger, geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer IME. »Die ideale Kombination der exzellenten Grundlagenforschung der Universitäten Frankfurt am Main und Darmstadt und der Expertise der Fraunhofer-Gesellschaft in der angewandten Forschung ist die beste Voraussetzung für die erfolgreiche Translation dieses hochinnovativen Ansatzes in die Anwendung zum Nutzen des Patienten.«

Das BMBF fördert die im Mai beginnende sechsmonatige Konzeptionsphase mit bis zu 250 000 €. Qualifiziert sich der Zusammenschluss anschließend für die Umsetzungsphase, stehen bis zu fünf Millionen Euro pro Jahr für PROXIDRUGS zur Verfügung. Das Ministerium will wissenschaftliche Hotspots zu schlagkräftigen regionalen Innovationsnetzwerken ausbilden.

Abzubauende Proteine werden üblicherweise in einer enzymatischen Reaktion mit dem kleinen Protein Ubiquitin markiert. Der »Schredder« der Zelle, das Proteasom, erkennt diese Markierung und zerlegt das Protein in seine Einzelteile, die dann recycelt werden. Im Fokus von PROXIDRUGS steht eine neuartige Medikamentenklasse, deren Wirkmechanismus auf räumlicher Nähe (proximity) beruht: Die entsprechenden Substanzen weisen zwei funktionelle Einheiten auf – eine zur spezifischen Bindung des jeweiligen Zielproteins, eine zweite, um an das benötigte Enzym anzudocken. So kann im Prinzip jedes unerwünschte Protein, das eine geeignete Bindetasche hat, gezielt mit Ubiquitin markiert und dann abgebaut werden.

Erste auf diesem Wirkprinzip beruhende Substanzen existieren bereits, die PROTACs (Proteolysis Targeting Chimeric Molecules). Der große Vorteil ist, dass diese Substanzen hochspezifisch sind und wieder einsatzfähig aus der Reaktion hervorgehen, sodass nur wenig Wirkstoff benötigt wird. Erste Studien mit PROTACs bei Prostata- und Brustkrebs laufen. Die Forscher des PROXIDRUGS-Verbundes wollen nun neue Substanzen dieser vielversprechenden Medikamentenklasse kreieren, unter anderem für Krankheiten, die bisher nicht mit Kleinmolekülen behandelt werden können.

Der PROXIDRUGS-Zusammenschluss aus Goethe-Universität, der TU Darmstadt und des Fraunhofer IME soll die im Rhein-Main-Gebiet vorhandene Expertise aus Grundlagenforschung, Klinik sowie Pharma- und Biotechfirmen zu einem regionalen Innovationsnetzwerk bündeln.