Neue Behandlungs-Perspektive für Kinder mit seltener Epilepsie
Wissenschaftler identifizieren neue potenzielle Behandlung durch Umwidmung eines bekannten Wirkstoffs

Ein internationales Forscherteam namens TreatKCNQ, welches durch das European Joint Programme on Rare Diseases gefördert wurde, hat eine unerwartete neue Anwendung für ein bereits existierendes Präparat entdeckt, das Kindern mit KCNQ2-assoziierter Entwicklungs- und epileptischer Enzephalopathie (KCNQ2-DEE) – einer seltenen und schweren Form der Epilepsie im Kindesalter – Linderung verschaffen könnte
Die kürzlich im British Journal of Pharmacology (DOI: 10.1111/bph.70119) veröffentlichte Studie zeigt, dass JNJ-37822681, ursprünglich als Antipsychotikum entwickelt, auch als wirksamer Öffner von KCNQ2-Kaliumkanälen wirkt – dem gleichen Mechanismus, auf den das inzwischen vom Markt genommene Antiepileptikum Retigabin abzielt. JNJ-37822681 reduzierte die anfallsähnliche Aktivität sowohl in von Patientenzellen abgeleiteten Gehirnzellen als auch in Tiermodellen für Epilepsie signifikant.
„Diese Entdeckung bringt uns einem dringend benötigten Medikament für Kinder wie unserem einen großen Schritt näher“,
– Zitat von Aila und Oliver Coulman, Eltern eines Kindes mit KCNQ2-DEE.
Hoffnung durch Umwidmung
Die neuen Erkenntnisse sind das Ergebnis einer groß angelegten Wirkstoffsuche nach neuen Verwendungsmöglichkeiten für Medikamente, die sich bereits in fortgeschrittenen Phasen der klinischen Entwicklung befanden oder befinden. JNJ-37822681 kristallisierte sich als Top-Kandidat für die Aktivierung von KCNQ2-Kanälen in menschlichen Nervenzellen heraus – darunter auch solche, die von Kindern mit KCNQ2-Mutationen stammen. Wichtig ist, dass es für JNJ-37822681 keine Sicherheitsbedenken gibt, die zur Rücknahme von Retigabin geführt haben, dem einzigen anderen Medikament, das jemals mit derselben therapeutischen Wirkung zugelassen wurde.
Vom Labor in die Klinik – die nächste Hürde
Das Forschungsteam bestätigte die Wirkung des Medikaments in Neuronen von KCNQ2-DEE-Patienten, wo es die normale elektrische Aktivität wiederherstellte, sowie in zwei etablierten Anfallsmodellen bei Mäusen.
Obwohl JNJ-37822681 vor über einem Jahrzehnt vom ursprünglichen Hersteller für die weitere kommerzielle Entwicklung zurückgestellt wurde, war das Medikament bereits in klinischen Studien an Hunderten von Patienten auf Sicherheit und in anderen neuro-psychiatrische Indikationen erfolgreich getestet worden. Die meisten dieser Daten sind in der Fachliteratur und anderen öffentlichen Quellen nicht verfügbar. Das Untersuchungsteam steht daher derzeit im Dialog mit dem ursprünglichen Entwickler des Medikaments, um Zugang zu den vorhandenen klinischen Daten zu erhalten und diese zu referenzieren, die dazu beitragen werden, die klinische Entwicklung von JNJ-37822681 bei Epilepsie zu beschleunigen.
„Wir benötigen dringend Zugang zu klinischen Daten aus früheren Studien mit JNJ-37822681, um die weitere Entwicklung zu unterstützen und sichere und effiziente Studien zu konzipieren, in denen das Potenzial des Medikaments bei Kindern mit KCNQ2-DEE getestet werden kann“, so die Autoren.
Warum das wichtig ist
Weltweit sind mehr als 50 Millionen Menschen von Epilepsie betroffen. Bei Familien mit KCNQ2-DEE treten die Anfälle oft in den ersten Lebenstagen auf und gehen mit schweren Entwicklungsverzögerungen einher. Derzeit ist keine Präzisionsmedizin für diese Erkrankung zugelassen. JNJ-37822681 könnte dies ändern und die erste Hoffnung auf eine gezielte, wirksame und sichere Behandlung bieten.