Woran genau forschen Sie aktuell am Fraunhofer ITMP und wie beeinflusst die Erforschung des Immunsystems Ihrer Meinung nach die Entwicklung
innovativer Therapien?
Wir erforschen die menschliche Immunantwort auf Infektionen und Impfungen auf zellulärer und molekularer Ebene. Durch die Analyse von Proben aus internationalen klinischen Studien identifizieren wir immunologische Mechanismen, die vor Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, HIV, Atemwegsinfektionen und HPV schützen. Dies ermöglicht ein besseres Verständnis der Krankheitsentstehung und kann dazu beitragen, sie gezielt zu verhindern. Gleichzeitig können diese Mechanismen als diagnostische oder prognostische Biomarker für schnelle und zuverlässige Diagnosen, zur Bewertung des Therapieerfolgs und zur Entwicklung neuer Behandlungsstrategien dienen.
Ein zentrales Forschungsprojekt ist die Entwicklung personalisierter Medizinansätze gegen Tuberkulose. Hierzu analysieren wir spezifische Immunreaktionen, um eine frühzeitige Diagnose, ein präziseres Therapie-Monitoring und wirtsspezifische Therapien zu ermöglichen. Dies verbessert nicht nur die individuelle Behandlung, sondern trägt auch maßgeblich zur globalen Bekämpfung von Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, einer der weltweit häufigsten infektiologischen Todesursachen, bei.
Langfristig kann ein tieferes Verständnis schützender Immunmechanismen innovative Therapien fördern, indem es neue therapeutische Zielstrukturen aufzeigt und personalisierte Therapieansätze vorantreibt.
Welche Herausforderungen haben Sie als Frau in der Gesundheitsforschung erlebt und wie haben Sie diese gemeistert?
Als Frau in der Forschung wird man öffentlich oft nicht nur für die eigene wissenschaftliche Arbeit wahrgenommen, sondern auch durch das »Trotz« – trotz Frau, trotz Mutter. Während männliche Kollegen in der Öffentlichkeit selbstverständlich über ihre Forschung sprechen, liegt der Fokus bei Frauen häufiger auf ihrer Rolle als Frau. Themen wie »Women in Science« sind wichtig, doch sie nehmen Zeit von der eigentlichen Forschung. Ich habe gelernt, Raum für meine wissenschaftliche Arbeit zu schaffen und mich nicht auf Zuschreibungen reduzieren zu lassen. Gleichzeitig ist es mir wichtig, diese Muster zu hinterfragen, sie offen anzusprechen, um aktiv gegenzusteuern – denn Exzellenz sollte nicht von Geschlechterrollen abhängig sein.
Was sind Ihrer Meinung nach die zentralen Schritte, die nötig sind, um die Gleichstellung in der Gesundheitsforschung nachhaltig zu fördern?
Es reicht nicht, einzelne Frauen zu fördern – das Denken muss sich grundlegend ändern. Die Befähigung zu wissenschaftlichen Leistungen muss unabhängig von Geschlecht und Auftreten gleich bewertet werden. Oft zählt die äußere Wahrnehmung mehr als Inhalte: Wer dominant auftritt, gilt als kompetent, wer sachlich bleibt, gilt als zurückhaltend. Die Lösung kann nicht nur sein, dass Frauen ihre Kommunikation anpassen – wir alle müssen lernen, Kompetenz jenseits tradierter Stereotype zu erkennen.
Zudem sind wissenschaftliche Karrieren für Frauen oft mit höherem Aufwand verbunden: Unsichtbare Zusatzaufgaben, fehlende Unterstützung in der Familienphase oder stereotype Erwartungen machen sie anstrengender. Viele entscheiden sich daher bewusst gegen eine langfristige Forschungslaufbahn. Daher sind nicht nur strukturelle Veränderungen wie gleiche Elternzeitmodelle und eine gerechtere Verteilung administrativer Aufgaben nötig, sondern auch ein generelles Umdenken – nicht nur für Chancengleichheit, sondern auch um exzellente Wissenschaftlerinnen im System zu halten.
Was bedeutet für Sie Erfolg in der Forschung? Ist es der wissenschaftliche Fortschritt, die gesellschaftliche Anerkennung oder etwas anderes?
Erfolg in der Forschung ist für mich der Moment, in dem viele kleine Puzzleteilchen und scheinbar unzusammenhängende Daten plötzlich ein größeres Bild ergeben. Die Freude, nach langer Arbeit neues Wissen zu schaffen und so einen kleinen Beitrag zum Gesamtwissen der Menschheit zu leisten, ist eine meiner größten Motivationen in der Wissenschaft.
Wie können Netzwerke und Mentoring-Programme Frauen in der Gesundheitsforschung unterstützen und welche Erfahrungen haben Sie diesbezüglich gemacht?
Netzwerke sind in der Wissenschaft immer essenziell – sie ermöglichen Austausch und schaffen Kooperationen. Programme und Treffen für Frauen sollten genau das tun: wissenschaftliche Diskussionen fördern und neue Forschungsimpulse setzen. So entstand für mich aus einem Gespräch mit einer Kollegin auf einer Tagung für Frauen in der Infektionsforschung die Idee für ein mögliches gemeinsames Projekt. Solche Netzwerke bieten nicht nur Unterstützung, sondern sind Katalysatoren für wissenschaftlichen Fortschritt.