Wer oder was hat Sie dazu motiviert, in der Gesundheitsforschung zu arbeiten?
Wie bei vielen meiner Kolleginnen und Kollegen war die SARS-CoV-2-Pandemie der Auslöser. Ich war zu dieser Zeit am Max-Planck-Institut für Biochemie (MPIB) tätig und habe mit der Produktion rekombinanter Proteine die Grundlagenforschung unterstützt. Als das MPIB im März 2020 in den Lockdown ging, kamen von der TUM und dem LMU Klinikum München Anfragen, ob mein Team SARS-CoV-2-Proteine für Diagnostik-Tests produzieren könnte. Zu dieser Zeit waren noch keine zuverlässigen kommerziellen Tests auf dem Markt. Wir haben im völlig menschenleeren Institut im Schichtbetrieb zur Kontaktvermeidung unter Hochdruck die Proteine hergestellt. Für mich war es eine vollkommen neue Erfahrung, an etwas Angewandtem, vor allem akut Benötigtem und Relevantem zu arbeiten. Daraufhin habe ich mich dazu entschlossen, meine Arbeit am neu gegründeten Fraunhofer ITMP-Standort IIP fortzusetzen.
Inwiefern haben sich Ihrer Meinung nach die Dynamiken und die Relevanz in der Gesundheitsforschung in den letzten Jahren verändert? Und wie hat sich die Rolle von Frauen dabei verändert?
Nachdem ich erst 2023 in die Gesundheitsforschung gewechselt bin, kann ich über die jüngere Entwicklung leider keine Aussagen treffen. Ich vermute aber sehr stark, dass Frauen, wie in allen Bereichen auch hier immer noch unterrepräsentiert sind, vor allem in leitenden Positionen. Besonders fällt es mir in meinem Privatleben auf.
Woran genau arbeiten Sie zurzeit am Fraunhofer ITMP?
Ziel der Penzberger Arbeitsgruppe ist es, Technologie-Plattformen zu etablieren. Damit sollen im aktuellen und zukünftigen Infektionsgeschehen speziell an den Erreger angepasste Diagnosen oder Therapien möglichst schnell bereitgestellt werden. Anders gesagt, soll somit »Pandemic Preparedness« geschaffen werden.
Derzeit arbeiten wir an viralen Erregern wie z. B. Gelbfieber und an bakteriellen Krankheitserregern wie z. B. Tuberkulose. Unsere strategische Kooperation mit dem Tropeninstitut am LMU Klinikum München und dem Pharmaunternehmen Roche wurde Ende 2023, um ein weiteres Kooperationsprojekt in der Tuberkulose-Forschung erweitert. In der sogenannten »DisTB«-Studie (Discovery of novel biomarkers for the diagnosis of TB disease) geht es darum, neue hochempfindliche und spezifische Biomarker für die Diagnose von Tuberkulose-Erkrankungen zu identifizieren.
Welche weiteren Ziele stehen auf Ihrer Forschungsagenda und inwieweit spielt Ihre Arbeit eine Rolle im Privaten, in der Familie oder bei Freunden?
Im Moment stehen wir, mit zunehmendem Einfluss von künstlicher Intelligenz, an einem wichtigen Punkt in der Wissenschaft. Das damit verbundene, rasant wachsende Potenzial wollen wir für unsere Anwendungen bestmöglich nutzen. Die Vorhersage von Proteinstrukturen mithilfe des KI-Algorithmus AlphaFold2 hat die Proteinforschung regelrecht revolutioniert. Zukünftig wird die Vorhersage von geeigneten Angriffszielen an den Erregern die Entwicklung von Diagnostik-Tests und Therapeutika erheblich beschleunigen. Vieles, was wir derzeit in langwierigen Serien von Experimenten ermitteln müssen, lässt sich – so die Hoffnung – in naher Zukunft vorhersagen, und zwar basierend auf möglichst vielen Daten, die bisher erhoben wurden.
Außerhalb der Laborarbeit in der Proteinproduktion und den Forschungsprojekten am Institut versuche ich die Arbeit in meinem privaten Alltag bewusst auszuklammern. Ab und zu wird es dennoch Thema, vor allem mit Freundinnen und Freunden, die wie ich in der Wissenschaft tätig sind.
Was möchten Sie Frauen mitgeben, die in der Gesundheitsforschung anfangen möchten?
Aus eigener Erfahrung, vielen Gesprächen mit Kolleginnen und einigen Medien, habe ich im Laufe der Jahre einige Awareness-Punkte für mich herausdestilliert:
1) Hab Selbstvertrauen in deine Fähigkeiten. Nimm deine Karriereentwicklung aktiv in die eigene Hand und stelle dein Wissen und Können dabei nicht in den Schatten.
2) Stelle nicht zu hohe Ansprüche an dich selbst. Versuche öfter mal einzusehen, dass nicht immer alles zu schaffen ist, statt dir zu viel auf die eigenen Schultern zu laden. Unter solch permanentem Stress oder Überlastung leidet nur deine Umgebung.
3) Löse Konflikte sachlich und versuche, fachliche Kritik konstruktiv anzunehmen und nicht persönlich auf dich zu beziehen.