Prof. Dr. Maria J.G.T. Vehreschild im Interview für »Women in Science«

Maria Vehreschild ist Fachärztin für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie sowie Infektiologie und forscht an der Nutzbarmachung von Mikroorganismen für die Therapie von Infektionen und anderen immunvermittelten Erkrankungen. 

© Universitätsklinikum Frankfurt, M. Vehreschild

Wer oder was hat Sie dazu motiviert, in der Gesundheitsforschung zu arbeiten? 

Es war mir schon immer ein wichtiges Anliegen, mit meiner Arbeit etwas Gemeinnütziges zu tun. Während der Berufswahl konnte ich mich daher auch lange nicht entscheiden, ob ich mich eher politisch, in einer NGO engagieren oder in das Gesundheitswesen gehen sollte. Letztendlich sah ich mich mehr darin, den Menschen direkt zu helfen und habe mich deshalb für das Medizinstudium entschieden. Das Forschen war mir dabei von Anfang an wichtig. Je länger ich mit Patientinnen und Patienten arbeite, umso mehr fühle ich mich in meiner Entscheidung für die Doppelrolle als Klinikerin und Forscherin bestätigt. Diese Rolle erlaubt es mir, Forschung anzustoßen und umzusetzen, die sehr genau auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten abgestimmt ist. 


Inwiefern haben sich Ihrer Meinung nach die Dynamiken und die Relevanz in der Gesundheitsforschung in den letzten Jahren verändert? Und wie hat sich die Rolle von Frauen dabei verändert? 

Die Corona-Pandemie hat sehr deutlich gezeigt, welche wichtige Rolle die Gesundheitsforschung und ganz besonders die Infektionsforschung für unsere Gesellschaft spielt. Gleichzeitig werden die Mittel in diesem Bereich der Wissenschaft durch Krisen, wie Kriege und Klimawandel, immer knapper. Das ist ein Dilemma. 

Frauen sind heute auf die Gesamtzahl der wissenschaftlichen Berufe gesehen immer stärker vertreten. In den Führungspositionen bleiben sie jedoch in Deutschland weiterhin die Ausnahme. Hier ist es uns als Land noch nicht gelungen, Bedingungen zu schaffen, die Frauen einen Weg in die Führung regelhaft erlauben. Der aktuell herrschende Fachkräftemangel kommt besonders ungünstig hinzu. Wie sollen sich Frauen wissenschaftlich frei entfalten, wenn es für ihre Kinder nicht genügend Betreuungsplätze gibt und Frauen auch heute noch den Großteil der Pflege- und Erziehungsarbeit in diesem Land übernehmen? Glücklicherweise gibt es heute, anders als vor 10 Jahren, bereits viele Programme, die Frauen in solchen Situationen unterstützen.


Woran genau arbeiten Sie zurzeit am Fraunhofer ITMP? 

Aktuell untersuche ich die pathogenetischen Mechanismen, Ich baue aktuell eine Arbeitsgruppe auf, die sich mit der diagnostischen und therapeutischen Nutzbarmachung von Mikroorganismen, insbesondere Bakterien und Phagen, beschäftigt. Die uns kolonisierenden Mikroben, unsere Mikrobiota, spielen eine wichtige Rolle in der Regulation unserer Organfunktionen. Gerät diese Mikrobiota nun in ein Ungleichgewicht, können Krankheiten die Folge sein. An dieser Stelle wollen wir ansetzen, um das Gleichgewicht wiederherzustellen.


Welche weiteren Ziele stehen auf Ihrer Forschungsagenda und inwieweit spielt Ihre Arbeit eine Rolle im Privaten, in der Familie oder bei Freunden?

Neben der Entwicklung Mikrobiota-basierter Therapien engagiere ich mich sehr für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Implementierung moderner Führungs- und Arbeitskonzepte. Wir müssen uns diesbezüglich völlig neu aufstellen, wenn wir auch in Zukunft die besten Köpfe zu uns holen und hier halten wollen. Natürlich spielt meine Arbeit auch in meinem Privatleben eine wichtige Rolle, zumal mein Mann ebenfalls Arzt und Wissenschaftler ist. Es ist nicht immer leicht, Arbeit und Privatleben genau zu trennen und es bedarf auch einer besonders guten Zusammenarbeit, um die Kinderbetreuung fair zu verteilen und trotzdem flexibel zu bleiben, für die Bedürfnisse aller Beteiligten.


Was möchten Sie Frauen mitgeben, die in der Gesundheitsforschung anfangen möchten?

In der Gesundheitsforschung zu arbeiten ist großartig, denn anders als in vielen anderen Bereichen kommt die eigene Arbeit direkt anderen Menschen zugute. Das ist ein sehr erfüllendes Gefühl, wenn es gelingt. Wenn Sie Sorgen haben, dass Sie Kind und Karriere nicht vereinbaren können, sprechen Sie Frauen in Führungspositionen direkt an. Das hilft, um besser zu verstehen, was Sie an Unterstützung erwarten können und was nicht. Frauen in Führungspositionen sind solchen Fragen gegenüber in der Regel sehr aufgeschlossen. Oftmals sind es jüngere Frauen, die sich nicht trauen, solche Fragen zu stellen. Dabei ist es wichtig, bereits im Vorfeld zu wissen, was Sie erwartet und wie Sie sich darauf vorbereiten können. Nur dann kann eine bewusste Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Karriere getroffen werden, ohne unerwartet hineinzuschlittern.