Woran genau forschen Sie aktuell am Fraunhofer ITMP und wie beeinflusst die Erforschung des Immunsystems Ihrer Meinung nach die Entwicklung
innovativer Therapien?
Aktuell fokussieren wir uns auf den Aufbau von zwei Bereichen der Arbeitsgruppe: Zum einen die bioinformatische Expertise, um aus bestehenden eigenen und externen Forschungsarbeiten zu bestimmten Indikationen potenzielle Kandidaten für Mikrobiota-basierte Therapien zu identifizieren. Hierbei müssen sowohl klinische Daten und Multi-Omics-Datensätze aus klinischen Studien als auch Modelle und präklinische Daten zur Nährstoffkompetition integriert werden. Zum anderen widmen wir uns dem Aufbau eines Herstellungslabors für Mikrobiota-basierte Therapien. Konkret planen wir hier erste Validierungsversuche für die Optimierung der Produktionsschritte wie Lyophilisierung und Verkapselung.
Welche Herausforderungen haben Sie als Frau in der Gesundheitsforschung erlebt und wie haben Sie diese gemeistert?
Einige Herausforderungen sind eher subtiler Natur, die sich nicht so konkret benennen lassen. Etwas, was mir wiederholt begegnet ist, sind Vorbehalte und falsche Erwartungen mir gegenüber. Insbesondere seitdem ich Kinder habe, wurde ich in meiner Arbeit gelegentlich durch eine »andere Brille« gesehen. Das äußerte sich darin, dass mir nicht mehr so viel zugetraut wurde oder auf meine Ambitionen und Ziele überrascht reagiert wurde. Andererseits hatte ich das Glück, in meiner wissenschaftlichen Karriere von Beginn an viel positive Förderung durch Vorgesetzte und Kolleg/innen zu bekommen und in meinem direkten Umfeld erfolgreiche Frauen als positive Vorbilder wahrzunehmen.
Was sind Ihrer Meinung nach die zentralen Schritte, die nötig sind, um die Gleichstellung in der Gesundheitsforschung nachhaltig zu fördern?
Meiner Meinung nach wären wir einen wichtigen Schritt weiter, wenn wir nicht gleichzeitig bei Frauenförderung auch immer die Familienfreundlichkeit mitdenken müssten. Denn die Frage nach Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sollte mit Blick auf Karriere und berufliche Weiterentwicklung nicht überwiegend von Frauen, sondern selbstverständlich auch von Männern gestellt werden. Noch übernehmen de facto Frauen mehr Aufgaben in der Kinderbetreuung. Hier sind also eher gesamtgesellschaftliche Prozesse gefragt, um moderne Partnerschaftsmodelle zu etablieren und zu normalisieren. Arbeitgeber/innen und Kolleg/innen können diesbezüglich ihre Erwartungen formulieren und ihre Kommunikation anders ausrichten. Das würde eine gleichberechtigtere Aufteilung von Frauen und Männern fördern.
Ich halte die weitere Förderung der Gleichstellung auch fernab von Elternschaft für ein wichtiges Thema. Zudem sollten, angesichts der Vielzahl an Absolventinnen in den Gesundheitswissenschaften, Führungspositionen generell paritätisch besetzt werden.
Was bedeutet für Sie Erfolg in der Forschung? Ist es der wissenschaftliche Fortschritt, die gesellschaftliche Anerkennung oder etwas anderes?
Erfolg in der Forschung bedeutet für mich zum einen das Erlangen neuer Erkenntnisse, die klinisch relevant sind und dadurch das Potenzial haben, Verbesserungen in der Gesundheitsversorgung zu erzielen. Zum anderen motiviert es mich sehr, wenn ich diese Forschungsergebnisse im Rahmen von wissenschaftlichen Kongressen oder in kleinen Runden mit Kooperationspartner/innen vorstellen und diskutieren kann. Der Austausch mit anderen Expert/innen bringt neue Ansätze sowie kritische Punkte zu Tage oder zeigt Transfermöglichkeiten für weitere Fragestellungen auf, die man selbst bisher nicht im Blick hatte.
Wie können Netzwerke und Mentoring-Programme Frauen in der Gesundheitsforschung unterstützen, und welche Erfahrungen haben Sie diesbezüglich gemacht?
Netzwerke sind wichtig für den Austausch von Erfahrungen und Tipps. Gleichzeitig geben sie die Möglichkeit Vorbilder und Frauen in ähnlichen beruflichen Positionen persönlich kennenzulernen. Netzwerke können außerdem mit mehr Nachdruck und Wirkung auf Missstände und Ungleichheit hinweisen. Im Rahmen eines Mentoring-Programms für habilitierende Ärztinnen konnte ich viele positive Erfahrungen machen. Sowohl durch das Programm als auch über verschiedene Netzwerke wurde mir das Thema Sichtbarkeit und Außendarstellung sowie die Relevanz für die eigene Positionierung und die eigenen Perspektiven wesentlich bewusster.