Fatima-Zahra Rachad im Interview für »Women in Science«

Fatima-Zahra Rachad ist gebürtige Marokkanerin und kam für ihr Biotechnologie-Bachelorstudium an der HAW Hamburg nach Deutschland. Hier meisterte sie die sprachlichen und administrativen Herausforderungen eines internationalen Studiums. Zudem absolvierte sie ihr Praxissemester und ihre Bachelorarbeit am Fraunhofer ITMP. Seit 2024 ist sie dort als technische Mitarbeiterin tätig, führt biophysikalische Messungen durch und ist im Stammzelllabor, insbesondere im DFG-Sonderforschungsbereich/TRR 305 Projekt, aktiv. 

© Fatima-Zahra Rachad

Woran genau forschen Sie aktuell am Fraunhofer ITMP und wie beeinflusst die Erforschung des Immunsystems Ihrer Meinung nach die Entwicklung 
innovativer Therapien?  


Aktuell forsche ich am Fraunhofer ITMP Hamburg an neuen Wirkstoffen für Krebspatientinnen und Patienten mit Hirnmetastasen. Hierzu setzen wir humane in vitro Modelle ein, die wir im höheren Durchsatz für Wirkstofftestungen entwickeln. 
Das langfristige Ziel ist es, zum einen die tumorassoziierte Mikroumgeben, welche unter anderem Immunzellen beinhaltet, zu modulieren und zu untersuchen. Zum anderen wollen wir diese Metastasen in ihrem Nischengewebe mit neuen Wirkstoffen adressieren, wodurch die Tumorprogression gehemmt werden soll. Dadurch können potenzielle Nebeneffekte im empfindlichen Nervengewebe ausgeschlossen werden. Wir hoffen ferner mit unserer Forschung, dass unsere komplexe, aus humanen Zellen abgeleiteten Organoidmodelle zukünftig einen Beitrag leisten werden, neue Medikamente sehr viel relevanter zu identifizieren.


Welche Herausforderungen haben Sie als Frau in der Gesundheitsforschung erlebt, und wie haben Sie diese gemeistert? 

Ich habe das Glück, direkt von Beginn meiner beruflichen Laufbahn an, in der Gesundheitsforschung von vielen Frauen umgeben zu sein. Was ich dabei beobachten konnte ist, dass weniger Stellen von Frauen in gehobenen Positionen besetzt werden. Das wirft ebenfalls Fragen mit Blick auf meine eigene Karriere auf. Ich wünsche mir weiterhin, in einem offenen Umfeld zu arbeiten. 

Als frische Bachelor-Absolventin war es eine besondere Herausforderung, komplexe Verfahren, so wie sie in der Forschung zur Anwendung kommen, mit allen Richtlinien von der Theorie in die Praxis umzusetzen. Um dies zu bewältigen, waren viele Fragen und »händisches ausprobieren« notwendig.


Was sind Ihrer Meinung nach die zentralen Schritte, die nötig sind, um die Gleichstellung in der Gesundheitsforschung nachhaltig zu fördern? 

Ein zentraler Schritt ist die Anhebung der Besetzung durch Frauen in gehobenen Positionen. Aus meiner persönlichen Perspektive heraus betrachtet, erschwert sich Gleichstellung nicht nur durch fehlende geschlechtliche Gleichberechtigung, sondern auch dadurch, dass ich als ausländische Mitarbeiterin einen erheblich komplizierteren Einstellungsprozess durchlaufen muss. Die Kenntnisse darüber, was ich mit meinem Aufenthaltsstatus darf und was nicht, variieren immens. Auch die Einstellung über einen festen Arbeitsvertrag, ist mit vielen Hürden verbunden. Zudem sollten generell mehr unbefristete Verträge in Forschungsberufen angeboten werden. Denn viele Frauen schreckt das ab. Gerade für Frauen mit Kinderwunsch bietet dies keinerlei Sicherheit, die alte Stelle wieder aufnehmen zu können. Aus diesem Grund wandern viele in die Industrie ab. 


Was bedeutet für Sie Erfolg in der Forschung – ist es der wissenschaftliche Fortschritt, die gesellschaftliche Anerkennung oder etwas anderes? 

Als Erfolg zählt für mich der wissenschaftliche Fortschritt. Mein Ziel ist es, für unterschiedliche Krankheiten und Fehlfunktionen im Körper Lösungen zu finden, um diese zu behandeln oder gar zu heilen. In einem Bereich zu arbeiten, der anderen Menschen helfen kann, ist für mich eine große Motivation. Ich bin noch am Anfang meiner Karriere. Als nächsten Schritt möchte ich meinen Master absolvieren. 

Für mich ist deshalb Erfolg in der Forschung kein faktisches Ergebnis, sondern ein Weg und die damit verbundenen Möglichkeiten, die sich ergeben. Ich kann mit Stolz sagen, dass mir auch als Berufsanfängerin viel Vertrauen und Verantwortung in meiner Arbeit in den Screening- und Stammzell-Laboren übertragen wird. Das motiviert sehr.

 

Wie können Netzwerke und Mentoring-Programme Frauen in der Gesundheitsforschung unterstützen, und welche Erfahrungen haben Sie diesbezüglich gemacht? 

Netzwerke und Mentoring-Programme helfen dabei, auch mal über den Tellerrand hinauszuschauen. Die Vernetzung und der Austausch sind sehr wichtig, um sich gegenseitig zu unterstützen. Frauen sollten sich mehr untereinander austauschen und ihre Erfahrungen teilen. Dabei meine ich nicht nur fachlich, sondern auch über Möglichkeiten und best practice Beispielen von Karrierewegen.

Bisher habe ich in erster Linie durch wissenschaftliche Betreuung, sowohl fachlich als auch in Bezug auf Abläufe und Umgangsformen viel gelernt, was während des Studiums zum Teil nur oberflächlich angerissen wurde. Mentoring-Programme können hierbei weitere Möglichkeiten bieten. Am Fraunhofer ITMP am Standort Hamburg arbeiten wir in einem internationalen Team. Das inspiriert den Austausch bei unserem mehrmonatigen Visiting Scientists auf eine großartige Weise.